Shingo La

Published by Marc on

Auf dem Weg zum Shingo La in Indien

Im August 2016 fuhr ich durch das Zanskartal und erreichte die Ortschaft Padum. Anstatt die selbe und einzige Strasse im Tal zurück zu fahren, entschied ich mich, geradeaus weiter zu reisen. Ich nahm an, noch einige Kilometer auf einer Strasse fahren zu können, bevor ich meine Reise auf einem Trekkingpfad fortsetzen müsste, um weiter zum Pass Shingo La zu gelangen. Ich wusste, dass der Shingo La bereits einige Jahre zuvor von Fahrradfahrern mit relativ wenig Gepäck überquert wurde. Online hatte ich zudem die Information gefunden, dass es unterdessen ab der Ortschaft Kargyak eine Strasse über den Pass gibt, welche dann weiter nach Darcha am Manali-Leh-Highway führt. Deshalb nahm ich an, dass ich nur eine relativ kurze Strecke auf einem Trekking Pfad zurücklegen müsste.

Atemberaubende Schönheit
Diese atemberaubende Schönheit sah ich auf dem Weg zum Shingo La

Von Padum führte mich die Strasse während etwa 40 Kilometer weiter bis zur Ortschaft Amnu. Laut den Informationen, die ich online gefunden hatte, erwartete ich, dass ich von Amnu bis zum Dorf Kargyak nur noch einen Trekkingpfad vorfinden würde. In der touristischen Ortschaft Leh in Ladakh hatte ich mich mehrere Wochen davor sogar bei einem Travel Agent, welcher mit „Expert of Zanskar“ warb, nachgefragt, wie die Qualität des Trekkingpfades sei und ob man mit einem schwer beladenen Fahrrad durchfahren oder es immerhin durchschieben könne. Der Experte antwortete mir, dass das Trekking zum Pass normalerweise drei Tage dauere, dass ich aber mit dem Velo nur zwei Tage benötigen würde.

Strasse zwischen Padum und Amnu
Strasse zwischen Padum und Amnu

In Amnu gab es auf beiden Seiten des Flusses einen Weg. Die Einheimischen des Dorfes sagten mir, dass der Weg auf der anderen Seite des Flusses deutlich einfacher sei, da dieser flacher verlaufe. Bis zur Ortschaft Yal müsse ich das Velo schieben, danach könne ich fahren, da sich der Weg nicht mehr an einem steilen Abhang befinde, fügte ein Mann hinzu. So weit, so gut. Doch nun musste ich noch auf die andere Seite des Flusses gelangen. Von meinem Standort führte ein steiler Pfad hinunter zu einer langen, schmalen Hängebrücke. Ohne Gepäck ging ich zur Brücke, um mir ein Bild der Situation machen zu können.

Brücke über den Fluss
Brücke über den Fluss

Als ich die Brücke überquerte, musste ich feststellen, dass ich mich unbedingt an einem der Drahtseile an der Seite festhalten muss. Die einzelnen Taschen hätte ich also vermutlich ohne Probleme alleine über die Brücke transportieren können. Doch ich hatte so meine Bedenken, das Fahrrad einhändig über die wackelige Brücke über den reissenden Fluss zu schieben. Jedoch hätte ich das Velo vermutlich über der Schulter tragen können – insbesondere wenn ich noch das Gewicht reduziert hätte, indem ich zum Beispiel die Räder abmontiert hätte. Doch auf der anderen Seite der Brücke ging es erneut sehr steil nach oben zum Wanderweg. Ich ging zurück zur Strasse zu meinem Velo und versuchte herauszufinden, wie ich das Fahrrad am besten über die Brücke und dann auf der anderen Seite den steilen Pfad nach oben trage. Zwei Einheimische, welche mich die ganze Zeit beobachtet hatten, boten mir an, mir zu helfen. Da diese Trekking Route regelmässig von westlichen Touristen begangen wird, wurde ich von den beiden Locals als Geldquelle und nicht als Gast, dem man einen Gefallen machen könnte, angesehen. Sie boten mir an, mein Fahrrad auf die andere Seite zu bringen – für 1000 Rupees (15 Franken) pro Person. Das fand ich für lokale Verhältnisse extrem übertrieben, weil 1000 Rupees entspricht etwa 15 Mittagessen oder 150 Samosa. Die Inder erwiderten, dass ihnen manche Touristen bereits 500 Rupees bezahlen, um sie über die Brücke zu begleiten. Das verwundert mich nicht, denn viele westliche Touristen, welche für ein paar Wochen in solchen Gebieten unterwegs sind, haben absolut keine Ahnung von lokalen Preisen, einige wundern sich sogar über die „günstigen“ Preise in Restaurants, obwohl sie gerade das Dreifache des regulären Preises bezahlen. Mir war die Gefahr zu gross, mein Velo beim Überqueren der Brücke im Fluss zu versenken. Ich schaffte es nicht, die beiden Männer zu überzeugen, mein Fahrrad für ein kleines Entgelt lediglich über die Brücke zu transportieren. Deshalb willigte ich schlussendlich ein, mir mein Velo und mein Gepäck für 1600 Rupees, also etwa 24 Franken, bis zum Weg oben auf der anderen Seite des Flusses bringen zu lassen. Die Inder sagten, dass all meine Sachen in einer Stunde auf der anderen Seite sein würden.

Das Überqueren der Brücke mit dem unbeladenen Fahrrad bereitete den Jungs keine Probleme. Einer packte das Fahrrad vorne am Lenker und hielt sich mit der anderen Hand an einem der Drahtseile fest, der andere griff das Velo am Gepäckträger und hielt sich mit der freien Hand an der anderen Seite der Brücke fest. So konnten sie das Rad ziemlich zügig auf die andere Seite des Flusse schieben, und auch das Gepäck war kurze Zeit später auf der anderen Seite des Flusses.

Fahrradtransport über eine Brücke
Fahrradtransport über die Brücke

Nun musste mein Material noch nach oben zum Weg transportiert werden. Einer der Männer nahm das Fahrrad über seine Schultern, der andere ergriff die vier grünen Fahrradtaschen, ich trug meine Lenkertasche sowie die gelbe Quertasche. Ich war plötzlich sehr froh, dass mir die Mànner nicht angeboten hatten, mein Fahrrad lediglich über die Brücke zu tragen, weil der schmale Pfad führte gar nicht bis ganz oben zum Weg. An dieser pfadlosen Stelle mussten die beiden Männer mein Fahrrad teilweise zu zweit tragen.

Zwei Einheimische transportieren mein Fahrrad zum Wanderweg
Zwei Einheimische transportieren mein Fahrrad zum Wanderweg

Nach einer Stunde stand ich tatsächlich mit all meinen Sachen auf dem Weg auf der anderen Seite des Flusses. Ich bezahlte die Inder mit dem abgemachten Betrag, dann ging das Abenteuer „Hike and Bike“ los. Am Anfang war der Weg tatsächlich relativ schmal, doch gerade noch breit genug, damit ich auf den flachen Passagen mein vollbeladenes Velo schieben konnte.

Beginn des Wanderweges
Beginn des Wanderweges

Teilweise war der Weg jedoch zu schmal oder zu steil, dann musste ich mein Gepäck vorsichtig vom Fahrrad entfernen und meine Ausrüstung in drei Etappen vorwärts transportieren: das unbeladene Velo mit Trinkflaschen und der Lenkertasche, die beiden Hinterradtaschen und zuletzt die beiden Vorderradtaschen zusammen mit der gelben Quertasche. Somit musste ich also einige Streckenabschnitte fünf Mal zurücklegen, weshalb ich nur sehr langsam vorwärts kam.

Relativ schlechter Abschnitt des Pfades
Relativ schlechter Abschnitt des Pfades

Einmal führte mich der Weg weit unterhalb eines Hauses durch. Doch ein Mann, welcher gerade auf seinem Feld arbeitete, rief mir etwas zu und rannte zu mir herunter. „Tea, Tea!“, sage er und streckte mir einen Becher zu, den er zuvor mit Tee aus seiner Thermosflasche gefüllt hatte. Ich war sehr verwundert, denn nach dem Erlebnis mit den beiden geldfixierten Einheimischen bei der Brücke hatte ich nicht mehr damit gerechnet, auf dieser Trekking Route etwas gratis offeriert zu erhalten. Der Tee schmeckte hervorragend, insbesondere weil er extrem süss war. Während ich noch den Becher austrank, packte der alte Mann aus einer Plastiktüte ein halbes Fladenbrot aus. „Chapati“, sagte er und strecke es mir hin. Da ich sowieso schon vorhatte, bald eine Snackpause einzulegen, nahm ich das Angebot des Mannes gerne an. Ich bedankte mich bei dem Einheimischen. Daraufhin machte er sich wieder an die Arbeit, und auch für mich ging der Arbeitstag weiter. Der Weg führte hinunter zum Fluss Lungnak, danach über eine Brücke über einen Bach, welcher in den Fluss floss. Da ich dort unten eine ebene Fläche vorfand und auch Zugang zu Wasser hatte, stellte ich mein Zelt auf, um dort meine erste Nacht zu verbringen.

Sandiger aber ebener Übernachtungsplatz
Sandiger aber ebener Übernachtungsplatz

Am nächsten Morgen musste ich meine Ausrüstung wieder in mehreren Etappen vorwärts transportieren, bis der Weg wieder flacher wurde. Der Fluss, und somit der Abhang, befand sich auf meiner linken Seite. Das fand ich praktisch, weil so konnte ich beim Schieben des Fahrrades mit meinen Füssen spüren, wie stabil die Kante am Abgrund des Weges war. Wenn das Velo näher am Abhang gewesen wäre, dann hätte das Risiko bestanden, dass die Räder und so das ganze Fahrrad wegrutschen würden. Je länger ich unterwegs war, desto mehr Tricks fand ich heraus: Zum Beispiel stiess ich mit meiner rechten Vorderradtasche immer wieder am steilen Hang an. Bald merkte ich, dass ich diese Tasche einfach an den Lenker hängen kann. Bei engeren oder steileren Passagen war es teilweise möglich, immerhin die beiden Hinterradtaschen am Fahrrad montiert zu lassen, so dass ich in zwei anstatt drei Etappen mein Material vorwärts bringen konnte.

Schmaler Wanderweg
Schmaler Wanderweg

Der Weg nach Yal hatte es wirklich in sich. Immer wieder war der Pfad so schmal, dass ich meine Füsse zwischen den Rädern positionieren musste und so Schritt für Schritt vorwärts gehen konnte. Immer wieder war es mir zu riskant, das Fahrrad an den schmalsten Stellen vollbeladen zu schieben. „Better safe than sorry“, sagte ich mir und transportierte mein Material in drei Etappen.

Abgrund
Abgrund

Nach Yal führte der Pfad tatsächlich nicht mehr direkt am Abgrund entlang und ich konnte sogar einige Kilometer bergab fahren. Direkt vor dem Dorf Testa stellte ich mein Zelt bei einigen Stupas auf, da in der Nähe ein ganz kleiner Bach floss. Zum Glück füllte ich aus Routine alle meine Flaschen am Abend mit Wasser, weil am nächsten Morgen war der Bach aufgrund der Kälte in der Nacht ausgetrocknet.

Zelt neben einer Stupa
Mein Zelt neben einer Stupa

Die Landschaft gefiel mir sehr gut, der blaue Himmel trug auch seinen Teil dazu bei. Die Häuser in den Dörfern waren alle traditionell im tibetischen Stil erbaut worden. Auf den Flachdächern der weissen Häuser lag Stroh und gestapelte getrocknete Yak-Fladen, welche zum Heizen verwendet werden. Natürlich waren auch immer wieder farbige Gebetsflaggen zu sehen. Die Felder in und um die Dörfer werden normalerweise von Steinmauern umgeben, welche von Hand angelegt wurden.

Gebäude im tibetischen Stil
Gebäude im tibetischen Stil neben dem Weg

Leider war die im Dorf Amno erhaltene Auskunft, dass ich ab Yal problemlos mit dem Velo fahren könne, nicht ganz korrekt. Immer wieder lagen so viele grosse Steine im Weg, dass ich das Velo nur mit abmontierten Vorderradtaschen durchschieben konnte. Teilweise musste ich sogar das ganze Gepäck vom Velo nehmen. Im Grossen und Ganzen konnte ich jedoch am zweiten und dritten Tag relativ oft fahren oder zumindest das vollbeladene Velo schieben.

In der Nähe eines Dorfes
Grosse Steine lagen im Weg
Typisches Landschaftsbild in Zanskar
Yak auf dem Weg
Fahrradfreundlich sieht anders aus
Wanderweg zum Shingo La
Fahrbarer Abschnitt auf dem Wanderweg
In der Nähe eines Dorfes
Grosse Steine lagen im Weg
Typisches Landschaftsbild in Zanskar
Yak auf dem Weg
Fahrradfreundlich sieht anders aus
Wanderweg zum Shingo La
Fahrbarer Abschnitt auf dem Wanderweg
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Am dritten Tag erreichte ich das Dorf Kargyak, von wo aus laut Informationen im Internet eine Strasse beginnt. Doch da war weit und breit keine Strasse! Weshalb jemand eine solche Fehlinformation publiziert, ist für mich unverständlich. Doch da ich nach Kargyak bald wieder auf dem Weg fahren konnte, ärgerte ich mich kaum. Meine dritte Nacht verbrachte ich irgendwo zwischen zwei Dörfern, wo das Gelände flach genug war um mein Zelt aufzustellen. Am nächsten Morgen kamen ein paar Frauen vorbei, welche auf dem Weg nach Kargyak waren und schauten mir zu, wie ich mein Zelt zusammenpackte. Sie wollten, dass ich ihnen für den Übernachtungsplatz Geld gebe. Ich sah nicht ein, weshalb ich wildfremden Personen etwas bezahlen sollte, wenn ich irgendwo in er Natur in meinem eigenen Zelt übernachte und all meinen Müll mitnehme.

Zelten in der Natur
Zelten in der Natur – kein Grund, dafür zu bezahlen

Am Morgen konnte ich zuerst eine Weile fahren, später lagen jedoch wieder so viele Steine im Weg, dass ich oft in zwei Etappen vorwärtsgehen musste. Unterwegs traf ich auf einen Mönch, welcher gerade eine Pause eingelegt hatte. Er sprach kein Englisch, jedoch „fragte“ er mich, ob ich ihm seinen Rucksack abnehmen könne. Diese Frage hätte ich verstehen können, wenn ich mit dem Velo am Fahren gewesen wäre. Doch als ich den Mönch traf, war ich gerade dabei, meine Ausrüstung in drei Etappen vorwärts zu schleppen. Kurz darauf konnte ich jedoch wieder weiterfahren und bald konnte ich den Mönch nicht mehr sehen. Doch die Zeiten änderten sich bald wieder und die Qualität des Weges wurde ein weiteres Mal so schlecht, dass ich nur noch sehr langsam vorwärts kam. Als der Mönch mich einholte, fragte er mich nach Essen. Ich teile zwar gerne, jedoch hatte ich am Morgen nicht beliebig viel Essen für den Tag gekocht und ich hatte am Anfang des Abenteuers in Padum auch nicht sehr viel Essen eingepackt, da ich angenommen hatte, dass ich ab Kargyak auf einer Strasse und somit relativ schnell unterwegs sein würde. Als ich einen Schluck Wasser aus meiner Flasche trank, wollte er auch gleich haben. Da der Weg immer wieder an kleinen Bächen vorbei führte, wo ich Wasser rausfiltern konnte, steckte ich ihm die Flasche mit einem Lächeln zu. Er trank gierig ein paar Schlucke und war extrem dankbar für meine Gabe. Ich frage mich, ob dieser Mönch selber tatsächlich weder Essen noch Trinken dabei hatte.

Kaum mit dem beladenen Rad befahrbar
Kaum mit dem beladenen Rad befahrbar

Kurz nach dieser erneuten Begegnung mit dem Mönch kam ich zu einer grossen Wiese, wo unzählige Yaks grasten. Ich freute mich, fahrend an den Tieren vorbeiziehen zu können. Doch bald darauf musste ich mehrere kleine Bäche überqueren. Zudem gab es keinen genau definierten Weg über die vielen runden Steine. Plötzlich erblickte ich eine Gruppe Menschen mit Pferden, welche mir entgegen kamen. Ich erwartete, dass es sich dabei um eine geführte Touristengruppe handle. Doch es waren drei Leute eines französischen Filmteams mit ihrem Guide und Helfern, welche eine Reportage über die zu erbauende aber noch nicht vorhandene Strasse nach Kargyak machten. In der dreiteiligen Reportage wird jeweils eine Gegend vorgestellt, in welcher Einheimische selber eine Strasse bauen. In Zanskar war es ein Mönch, welcher die Strasse errichtet. Die indische Regierung sprach zwar seit Jahren davon, eine Strasse von Darcha am Manali-Leh-Highway bis nach Kargyak und dann weiter bis nach Padum zu bauen. Doch da den Worten keine Taten folgten, nahm der Mönch die Sache selber in die Hand. Er kaufte sich einen Bagger, stellte einen Fahrer ein und fing so selber an, eine Strasse zu bauen. Zusammen mit seinem Fahrer errichtete er eine Strasse von Darcha bis zum Pass Shingo La. Die indische Border Roads Organisation vergrösserte und verbesserte dann offenbar diese Strasse, doch offiziell heisst es angeblich nur, dass die BRO Ende 2015 die Verbindung von Darcha auf den Pass beenden konnte – und der Mönch wird dabei nicht einmal erwähnt. Das Ziel des Mönchs war es, bis Ende September 2016 die Strasse vom Pass bis nach Kargyak zu verlängern. Aus diesem Grund war das Filmteam vor Ort. Von ihnen erfuhr ich, dass es fünf Tage zuvor auf der westlichen Seite des Passes, von wo ich mich dem Pass näherte, noch gar keine Strasse gab, aber dass der Mönch in den fünf Tagen einige Kilometer „Strasse“ bauen (bzw. vorbereiten) konnte. Die Franzosen sagten, dass sie sehr erstaunt seien, jemand mit einem beladenen Velo in diesem strassenlosen Gelände anzutreffen. Sie fragten mich, ob sie mir einige Fragen stellen könnten. Ich willigte ein, ihnen Fragen zu beantworten und mich unter anderem beim Durchqueren der kleinen Bäche filmen zu lassen. Sie sagten mir auch, dass sie beim nächsten „Tea Stall“ ihre Zelte aufgestellt haben und dass ich auch gerne am Abend dort bei ihnen zum Tee vorbei kommen könne. Nachdem das Team mir einige Fragen gestellt und mich gefilmt hatte, gingen sie zu den Yaks, um dort ein wenig zu drehen und die Hirten zu interviewen. Ich ging weiter und hatte eine schwierige und anstrengende Passage vor mir. Der Weg führte über eine Felslawine. Sogar das Schieben des unbeladenen Velos war oft fast nicht möglich. Ich kam nur sehr langsam vorwärts. Ich fragte mich, wie der „Expert of Zanskar“ in Leh mir versichern konnte, dass ich von Padum aus den Pass in zwei Tagen erreichen würde.

Französische TV Crew mit Helfern
Französische TV Crew mit Helfern

Als ich das Camp der der TV-Crew erreichte, fing es an zu regnen. Schnell stellte ich mein Zelt auf und legte mich zum Erholen hin. Eine Stunde später kamen die verregneten Franzosen und ihre Helfer zurück. Ich gesellte mich zu ihnen in ihr grosses Essenszelt. Die Temperatur war schon lange unter 10 Grad gesunken, weshalb ich mich gerne mit gezuckertem Tee aufwärmte. Die Crew erzählte mir, dass der Mönch am Morgen zu Fuss nach Kargyak gegangen war um zu telefonieren, weil irgendetwas an seiner Maschine kaputt war. Aus diesem Grund hatte das TV Team am nächsten Tag nichts zu filmen – ausser einen Schweizer Fahrradfahrer. Sie fragten mich, ob sie mich auf meinem Weg bis zum Anfang der „Monk’s Road“ begleiten dürften. Ich willigte sofort ein, immerhin wäre es auch für mich toll, professionelle Aufnahmen von einer meiner bis damals grössten Herausforderung zu haben. Am Abend ass ich zusammen mit den Franzosen. Nach einer ziemlich niederschlagsreichen Nacht kroch ich aus meinem Zelt und sah, dass es bis fast zu uns herunter geschneit hatte. Beim Frühstück, welches ich ebenfalls von den Reportern offeriert bekam, konnte ich mir den Magen mit Chapati, Marmelade und Erdnussbutter vollschlagen.

Mein Zelt beim Camp der TV Crew
Mein Zelt beim Camp der französischen TV Crew

Beim „Tea Stall“ kaufte ich mir noch ein Kilo Reis, da ich für das ganze „Hike and  Bike“ doch deutlich länger brauchte als angenommen und sich meine Vorräte langsam dem Ende zuneigten. Zu meinem grossen Erstaunen wurde ich auch noch nach einer Camping Gebühr gefragt, obwohl ich in meinem eigenen Zelt übernachtete und der ganze Platz genau so war, wie alles rund herum: reine Natur. Als ich beim Guide der Franzosen nachfragte, bestätigte er mir, dass es normal sei, hier für das Campieren zu bezahlen. Den Preis von 200 Rupees fand ich auch nicht wirklich angebracht, vor allem weil der Land“besitzer“ absolut keine Leistung erbrachte. Es gab zum Beispiel nicht einmal irgend eine Toilette. Ich gab dem Mann die 200 und stellte mir vor, ich hätte dieses Geld für die beiden Mahlzeiten bei den Franzosen ausgegeben. Vor der Kamera packte ich mein Zelt zusammen, danach fuhr ich weiter. Nach einer kurzen fahrbaren Strecke führte der Weg wieder durch ein Feld voller grosser Steinen. Mir war klar, dass ich dort mein Velo kaum schieben konnte. Das Flussbett führte relativ wenig Wasser und es sah so aus, als könnte ich auf der anderen Seite des Flusses mein vollbeladenes Velo schieben. Somit beschloss ich, den Fluss zu durchqueren.

Zu duchquerender Fluss
Zu duchquerender Fluss

Trotz der kalten Temperaturen war ich noch immer in meinen Flip-Flops unterwegs. Zum einen, weil ich immer wieder Bäche zu durchqueren hatte, zum anderen, weil ich Angst davor hatte, mir wie bereits in Nepal Blasen an der Ferse zu holen du dann erneut Probleme mit den Füssen zu haben. Zudem war ich unterdessen mehrfach mit meinen beiden grossen Zehen in Steine hineingelaufen, so dass ich an beiden grossen Zehen Wunden hatte und deshalb das Gehen in Schuhen noch viel schmerzhafter gewesen wäre. Da die Strömung des Flusses doch ziemlich stark war, durchquerte ich ihn barfuss, um besser spüren zu können, wo ich abstand. Als erstes transportierte ich das Fahrrad auf die andere Seite. Als ich zurück ging, musste ich feststellen, dass es deutlich einfacher war, den Fluss mit dem Velo zu durchqueren, da man sich auf diesem abstützen kann. Vorsichtig transportierte ich auch die Taschen von der einen auf die andere Seite. Nach insgesamt fünf Durchquerungen des Flusses befand sich alles Material auf der richtigen Seite, dafür hatte ich aber kein Gefühl mehr in meinen Füssen. Ich befürchtete bereits, dass die Entscheidung, durch das Flussbett zu gehen, die falsche gewesen war. Doch ich konnte das vollbeladene Velo danach tatsächlich schieben und auch bald hatten sich meine Füsse wieder aufgewärmt. Den Fluss musste ich später auch noch ein weiteres Mal durchqueren. Danach ging es ziemlich steil bergauf. Während etwa zwei Stunden transportierte ich meine Ausrüstung Stück für Stück nach oben. Danach gab es eine horizontale Querung, wo ich leider auch oft fünf Mal hin und her gehen musste. Doch dann erreichte ich die „Monk’s Road“. Doch allzu viel sollte man sich unter dieser „Strasse“ nicht vorstellen. Zwar war es möglich, ein vollbeladenes Velo zu schieben, doch es war sehr anstrengend. Insbesondere, weil auch auf der „Strasse“ viele grosse Steine lagen und der Boden teilweise sehr weich war. Doch trotzdem war es viel einfacher, das Fahrrad dort zu schieben. Ich verabschiedete mich von den Franzosen, dann machte ich mich auf den Weg zum Pass.

Monk's Road kurz vor dem Shingo La
Monk’s Road kurz vor dem Shingo La

Vom Guide der Franzosen wurde mir geraten, nicht bis zum Top vorzudringen, da das zu weit und es auf dem Pass sehr kalt sei. Als ich jedoch den vom Guide vorgeschlagenen Übernachtungsplatz erreichte, war es noch lange nicht Abend. Ich entschied, weiter zu gehen. Obwohl ich nicht vorhatte, den Pass an diesem Tag zu erreichen, stand ich um 18:30 auf dem mit Gebetsflaggen geschmückten 5050 Meter hohen Shingo La und stellte sogleich überglücklich mein Zelt auf. Da überall noch Schnee lag, musste ich mich auch nicht um Trinkwasser kümmern, sondern konnte direkt den Schnee mit meinem Kocher schmelzen. Ich kochte mir einen Tee und ein leckeres Abendessen. In der Nacht sanken die Temperaturen unter den Gefrierpunkt, doch aufgrund meines warmen Schlafsacks konnte ich problemlos schlafen.

Glücklich auf dem Shingo La
Glücklich auf dem Shingo La

Auch nach dem Pass war die Strasse in schlechter Qualität, doch da es bergab ging, konnte ich fahren. Immer wieder floss eiskaltes Wasser meterweit über die Strasse, doch meine Füsse trockneten danach jeweils innerhalb kürzester Zeit. Je weiter ich auf der Strasse nach unten fuhr, desto besser wurde deren Qualität und auf den letzten Kilometern nach Darcha hatte ich sogar Asphalt unter den Rädern.

In dieser französischen Dokumentation Celle qui va tout changer – Inde du Nord, une route pour Kargyak (2017) von France 5 bin ich von 33:10 bis 36:02 teilweise zu sehen.